Clive Barker, Sacrament

Will Rabjohns ist ein desillusionierter Fotograf, der sich darauf spezialisiert hat, vom Aussterben bedrohte Tierarten abzulichten. Der Angriff eines Eisbären endet fast fatal; aber im Koma kommt in ihm die Erinnerung an ein mysteriöses Kindheitserlebnis hoch. Jacob Steep und Mrs McGee, das seltsame Paar, dem er als Zwölfjähriger begegnete, üben noch jetzt ihren Zauber auf ihn aus. Will Rabjohn muss sich seinen Erinnerungen stellen, den Gespenstern seiner Vergangenheit die Stirn bieten. Was als Reise in das Selbst beginnt, wird unversehens zur Suche nach einem verwunschenen Ort, dem „Domus Mundi“ - Haus der Welt, in dem es zum letzten Showdown kommt.

Clive Barker zeichnet in seinem Roman eine sterbende Welt, gleich ob er nun mächtige Eisbären beschreibt, die auf einer Müllkippe nach Futter suchen, oder den vom Aidsvirus bedrohten Glamour der Schwulenszene von San Francisco.

In „Sacrament“ lässt Clive Barker seinen Gefühlen für die Ökologie freien Lauf, wie es scheint. Sein Protagonist Will Rabjohns hat nicht nur ein Herz für Tiere, sondern ist auch homosexuell, sodass Clive Barker eine Lanze für eine Minderheit brechen kann. Und das tut er gekonnt, auf eine recht dezente, unaufdringliche Art und Weise. Hier enthüllt sich der wahre Meister des geschriebenen Wortes.

Wie immer, lässt er kaum etwas aus. Den Mythos der Anamnese, der beiden geteilten Seelenhälften, die zueinander streben, gebraucht er ebenso wie das Motiv des verwunschenen Hauses oder die aktuelle Umweltideologie. Sein pantheistisch anmutendes „Save the whales“ ist Barkers Version einer von Gott beseelten Natur - Mann, ist das trivial. Oder auch nicht, wie man ’s nimmt. Denn ohne eine gewisse Ironie schreibt Barker nicht, und dass es sich um spannenden Lesestoff handelt, steht außer Frage. Ein Roman, den man lesen sollte, wenn man Spannung sucht.

(englische Ausgabe: Clive Barker: Sacrament, Großbritannien (Harper Collins Publishers 1996, special overseas edition 1997), 595 Seiten. ISBN 0-00-648264-3)

Alexander Amberg