Die Inseln des Windgottes

Liparische Inseln – Geheimtipp vor der Haustür

Warum in die Ferne schweifen? Auch das Mittelmeer bietet noch lohnende Ziele. Vor Jahrmillionen von glühender Lava geformt, liegen direkt vor der Küste Siziliens windumtost und doch von der Sonne verwöhnt die Liparischen Inseln, sieben Perlen im Tyrrhenischen Meer, die sich allmählich zum Geheimtipp entwickeln.

Ein Bummel durch die verträumte Altstadt Liparis mit ihrer antiken Akropolis, eine nächtliche Fahrt mit dem Motorboot, um auf der Feuerstraße bei den Eruptionen des Stromboli eine vulkanische Märchenwelt zu erleben, Bimssteinbrüche besichtigen, in Schwefelthermen baden … die wild-romantischen, kargen Inseln sind ein Abenteuer für die ganze Familie.

Man muss nicht gleich den Stromboli besteigen, schon bei einer schlichten Wanderung an den malerisch zerklüfteten Küstenstrichen erschließt sich dem Reisenden, der abseits der Touristenströme Erholung in der Abgeschiedenheit sucht, die ursprüngliche Landschaft mit ihren steilen, schroffen Hängen und ihren idyllischen Dörfern.

Nur per Schiff zu erreichen, sind die Liparischen Inseln – Alicudi, Filicudi, Salina, Lipari, Panarea, Vulcano und Stromboli – noch nicht vom Massentourismus überlaufen. Zwar verkehren auf den größeren der Inseln Busse, auf den kleineren hingegen dienen dreirädrige Lieferwagen, mitunter noch Esel und Maultiere, als Transportmittel.

Bei dem Verkehrsaufkommen eigentlich kein Wunder, dass die Inseln ein Paradies für Wanderer sind. Neben dem Wandern zählen Ausflüge mit Fischerbooten, Inselrundfahrten, Baden, Tauchen und Museumsbesichtigungen zum Freizeitangebot. Auch Mountainbikes oder Motorroller kann man mieten.

Die örtliche Küche garantiert mediterrane Gaumenfreuden: raffinierte Fischgerichte, frisches Gemüse, verführerische Nachspeisen, regionale Weine, darunter den hier angebauten Malvasia, den man unbedingt probieren sollte. Hotels sind eher dünn gesät, dafür gibt es private Zimmer und Ferienwohnungen in Hülle und Fülle.

Lediglich auf Vulcano kann es geschehen, dass man sich in der Hochsaison beim Aufstieg zum Vulkan unversehens in der Gesellschaft ganzer Touristenscharen wiederfindet. Panarea scheint sich zum Rückzugsort für die High Society Norditaliens zu entwickeln, entsprechend sind hier die Preise. Filicudi und Alicudi dagegen bieten wirklich Einsamkeit pur.

Die alten Griechen hielten die Liparischen Inseln für die Heimat des Windgottes Äolus, selbst Odysseus soll es hierher verschlagen haben.

Schon 4000 vor Christus waren die Liparischen Inseln besiedelt, Obsidian ein begehrtes Handelsprodukt. Griechen, Karthager, Römer, Araber, Normannen prägten ihre wechselvolle Geschichte.

Im Jahr 1544 n. Chr. verschleppten türkische Piraten nahezu die gesamte Bevölkerung in die Sklaverei. Als direkte Folge davon erhielt die Hauptinsel Lipari im 16. Jahrhundert eine Zitadelle, die noch heute zu besichtigen ist. Im Jahr 2000 wurde die kleine Inselgruppe zum Weltnaturerbe erklärt.

Auf den Liparischen Inseln wurden einige Filme gedreht. Zuletzt diente Salina 1994 als Kulisse für Il postino – Der Postmann, einen anrührenden Film über die Männerfreundschaft zwischen dem hier in den 1950er Jahren im Exil lebenden chilenischen Dichter Pablo Neruda und einem einheimischen Fischer, der ihm täglich wahre Berge von Briefen seiner Bewunderer brachte.

Anreise: von Milezza, Messina, Neapel, Palermo oder Reggio Calabria aus per Schiff oder Tragflächenboot. Nächstgelegene Flughäfen: Catania, Palermo, Reggio Calabria.

Beste Reisezeit: April, Mai Juni und Herbst.

Alexander Amberg